Welche Sprache sprechen wir?
Liebe Geschwister,
das Pfingstwunder, in dem der Heilige Geist Menschen eine Sprache sprechen ließ, die alle Zuhörer verstehen konnten, bildet einen erkennbaren Gegenpol zu dem Geschehen in Babylon, als die Sprachverwirrung unter den Menschen Einzug hielt. Damals, am Anfang der göttlichen Schöpfung, sprachen die Menschen eine Sprache und konnten sich mit einem Mal nicht mehr verstehen. Zu Pfingsten sprachen die Menschen vielfältige Sprachen und konnten sich mit einem Mal wieder verstehen. Was war jeweils geschehen?
Die Bibel berichtet uns, dass die Menschen in Babel einen Turm bauen wollten, der bis in den Himmel reichen sollte. Es war ein Punkt in der Entwicklung der Menschheit erreicht, an dem der Mensch sich alles zutraute. Die gebündelte Kraft aller Menschen sollte nun eingesetzt werden, das letzte Hindernis zu unendlicher Macht auszuräumen, den Unterschied zwischen Gott und den Menschen. Ein gewaltiges Bauwerk, ein Turm, sollte die Erde mit dem Himmel verbinden und so beweisen, dass der Mensch Gott gleich ist. Doch die Einheit der Menschen trägt nicht, sie steuern mit ihrer geballten Kraft geradewegs auf eine Katastrophe zu. Gott kennt ihre Schwachheit, dass sie nicht mit Kraft, Macht und scheinbar unendlicher Schaffens-, also Schöpfungskraft, umgehen können und beendet das Vorhaben. Er nimmt ihnen die Fähigkeit, in einer Sprache zu sprechen und zwingt sie so den Turmbau aufzugeben. Die Sprachverwirrung zerstreut die Menschen, so sagt es die Überlieferung, daraufhin in alle Welt.
Zu Pfingsten schickt Gott den Menschen seinen Heiligen Geist. Jetzt soll der Heilige Geist das „letzte Hindernis“, die Trennung zwischen Gott und den Menschen, ausräumen. Der Heilige Geist stellt den Zustand „vor Babel“ wieder her und lässt den Menschen wieder eine Sprache sprechen. Wo ist der Unterschied? In beiden Fällen sollte doch die Trennung zwischen Gott und den Menschen überwunden werden. Ich denke, es wird sehr deutlich, dass die „Richtung“, die Motivation jeweils eine andere ist. In Babel ging alles vom Menschen aus, zu Pfingsten alles von Gott. Gottes Weg führt uns in die Einheit – der der Menschen in die Vielheit, oder wie Jesus es ausdrückte: der eine Weg sammelt, der andere zerstreut.
Wenn wir die Ereignisse in Babel in der Bibel lesen, können wir sie historisch betrachten und darüber streiten, ob tatsächlich 1913 der Turmbau archäologisch nachgewiesen wurde, oder wir sehen darin ein Wirkprinzip der Schöpfung, eine Kernaussage Gottes. Der Mensch hat Grenzen. Überall, wo der Mensch meint, dass er selbst etwas richten, in Ordnung bringen oder sogar die Schöpfung verbessern muss, wird er scheitern. An Beispielen fehlt es auch heute, mehr als 4.000 Jahre nach Babel, nicht. Alle wissen, dass die Probleme von Krieg, Hunger, sozialer Ungerechtigkeit, Umweltverschmutzung und vielem mehr auf dieser Welt unbedingt gelöst werden müssen, aber den Menschen gelingt es nicht. Nicht zuletzt zeigt der Umgang mit der aktuellen Pandemie, dass wir von einem gemeinsamen Vorgehen aller Beteiligten in Politik, Wissenschaft, Gesellschaft und das über alle Kontinente hinaus, weit entfernt sind. Die Menschen sprechen nicht die gleiche Sprache. Jeder scheint andere Interessen zu vertreten und anderen Zielen zu folgen – moderne Sprachverwirrung?
Die Sprache des Heiligen Geistes verstehen wir alle. Es ist die Sprache des Vertrauens in Gott, der Barmherzigkeit, der Wertschätzung und der Liebe. Natürlich haben wir alle einen gottgegebenen und gottgewollten Auftrag mit unseren Fähigkeiten unseren Beitrag zum Leben und zur Erhaltung seiner Schöpfung beizutragen, aber immer im Vertrauen auf Gottes Führung, nach seinem Ratschluss. Gott hat das erklärte Ziel, dass wir alle wieder eins werden sollen, untereinander und mit ihm. Haben wir dieses Ziel auch? Damit es gelingt schenkt er uns seinen Heiligen Geist, immer wieder neu.
Also, welche Sprache sprechen wir? Und übrigens, die beste Übung in dieser Sprache ist beten.
Ich wünsche uns allen immer die richtigen Worte aus der Führung des Heiligen Geistes,
Euer Ulrich Hykes