Kein Glaube mehr
Im Januar meldeten die Nachrichten, dass die Mitgliederzahl der Kirchen in Deutschland erstmals die 50% Marke der Bevölkerung unterschritten hat. Hier, bei uns in Düsseldorf, versuchte in den letzten Monaten der „Düsseldorfer Aufklärungsdienst“ Stimmen gegen die öffentliche Finanzierung des evangelischen Kirchentages 2027 in unserer Stadt zu suchen. Aus meiner Sicht ist das glücklicherweise gescheitert. Nur knapp 11.000 der 650.000 Düsseldorfer haben das Anliegen unterstützt, trotzdem gehen auch in den Düsseldorfer Kirchen die Gottesdienstbesucherzahlen zurück. Gibt es keinen Glauben mehr in Düsseldorf?
<p „>In meinem Alltag erlebe ich ziemlich viele Menschen, die Sinnfragen stellen, die spirituell unterwegs bzw. suchend sind. Doch in einem regelmäßigen Kirchbesuch bzw. einem Engagement in einer christlichen Gemeinde mündet das selten. Wenn ich in meinem Umfeld von meinen Aktivitäten in der Gemeinde erzähle bzw. dass ich neuerdings auch evangelische Theologie studiere, dann kommen oft respektvolle Äußerungen wie „toll“, „schön, dass du darin aufgehst“, „spannend“…. Das Interesse ist da, aber meist beschränkt es sich auf den informativen Austausch.
Doch es begegnen mir auch immer wieder Menschen, die sich in der Kirche und für ihre Gemeinde engagieren. Die ZDF-Sendung „37°“ hatte kürzlich zwei Ausstrahlungen zu diesem Thema. Dabei wurden u.a. junge Menschen vorgestellt, die ihren Glauben leben und sich in den Dienst der Kirche stellen, um für andere Menschen da zu sein. Das ist ermutigend und verneint die als Überschrift gewählte Frage, denn Dienst und Glaube gehören zusammen.
Das große Vorbild für mich als Christ heißt Jesus von Nazareth. An ihm kann ich wie an keinem anderen ablesen, was es bedeutet, Mensch zu sein; ein Auge auf die zu haben, die unter Sorgen leiden, die nicht mehr wissen, wie sie leben können und einen Sinn in ihrem Leben suchen. Am Sonntag Misericordias Domini (23. April) war das Predigtwort der evangelischen Perikope aus dem 1. Petrusbrief und es richtete sich an die Gemeindeverantwortlichen. Es sagt uns, dass dieser „christliche Dienst“ aus „Hingabe geschehen soll“, freiwillig und nicht als „Herrscher“. Keiner zwingt mich diesen Dienst für die Menschen in meinem Umfeld zu tun, und dieser Dienst macht mich nicht zum „Bestimmer“ über andere.
Es gibt mehr Menschen, die glauben, als es der bloße Blick auf die Mitgliederzahlen der Kirchen vermuten lässt. Viele fühlen sich berufen und nehmen ihre Begabungen an, diese Zeit menschlicher zu machen, auch wenn sie nicht in eine Kirche gehen. Jeder darf sich fragen: Lebe ich das selbst, wofür ich andere gewinnen möchte? Gehe ich den Weg der Menschlichkeit selbst glaubwürdig, den ich anderen zeigen möchte? Die Vorbildwirkung in Familie und Kirche formt die Persönlichkeit, Lebenserfahrungen prägen Menschen in besonderer Weise. So entstehen auf verschiedene Weise „Typen“, Menschen, die selbst geprägt sind und die dadurch zugleich andere prägen können. Das ist positiv und beschreibt den Kern unseres Glaubens, der letztlich darin besteht, dass wir uns von Gottes Liebe als seine Geschöpfe prägen lassen. Auch wenn es anders aussehen mag, weiß ich, dass es noch recht viel Glauben gibt!
Volker Wissen